Wroclaw mit Forum Unna

Sonntag, 21.05.2023
Der dritte Bildungsurlaub in Polen, von Forum Unna angeboten und organisiert, ist angelaufen, dieses Mal sind wir in Breslau, das ist auch der Name der Fortbildung: Aus Breslau wird Wroclaw. Wir sind tagsüber mit dem Auto hingefahren und ohne Störung die 770km durchgefahren. Glück gehabt, die Gegenrichtung hatte auf polnischer Seite 4 fette Korken. Wir waren zeitig da und konnten schon mal locker einchecken und etwas die Beine vertreten, bevor es um 18 Uhr losgeht. 18 interessierte Teilnehmer treffen sich im Hotel vor Ort und werden vom Leiter des Kurses, Frau Malgorzata Urlich-Kornacka (Gosia) begrüßt. Sie stellt kurz das Programm vor und dann beginnt die Vorstellungsrunde. Ich muss anfangen, bedeutet, dass ich mich als erster angemeldet hatte. Stimmt, das war auch schon im Herbst 22. Also dann, jeder nur ein Kreuz. Im Anschluss gibt es Abendessen, wir bleiben so zum Essen sitzen und haben nette Gesellschaft, ein Paar aus Flensburg und ein Einzeltäter aus Berlin sind unsere Tischnachbarn. Es gibt ein Gemüse in einer Süßkartoffelhäfte zubereitet mit zwei Stangen grünem Spargel. Obendrüber ein paar gebratene oder fritierte „wihajster“. Später stellt sich dann heraus, dass es Tofu war. Premiere also für mich und gar nicht mal so schlimm. Im Zimmer abends rufe ich dann noch meinen Kumpel Jim aus Redwood City an und gratuliere zum Geburtstag. Alles super

Montag 22.05.2023
Frühstück gibt es ab 7, sehr viel später waren wir auch nicht dort. Das Hotel ist super, der Kaffee schmeckt, es gibt alles was das Herz begehrt und davon mehr als genug. Um 9 treffen wir uns in der Lobby und verkabeln uns mit Radio Gosia. Dann gehts los. Gosia spricht in einem Unterlass, oder wie ein Teilnehmer, der es wissen muss, gegen 13 Uhr sagte: Aus pädagogischen Gesichtspunkten ist die Aufnahmegrenze schon weit überschritten. Wir hören viel über die Stadt, den Marktplatz, das Viertel, die Zwerge, die Oper und die Philharmonie und begeben uns langsam Richtung Platz für gegenseitige Rücksichtnahme zum Restaurant Konspira, wo es für uns pierogi und placki ziemniaczane gibt, Grumbeerpangkuche hätte man bei uns früher gesagt. Dieses Mal mit Spinat, echt klasse.
Am Nachmittag stand dann der Besuch in der Synagoge „pod bialym bocianem“ „unter dem weißen Storch“ also an. Der Führer erklärte uns sehr geduldig alles, was wir wissen wollten und das war eine ganze Menge. Um 16 Uhr war die Führung beendet und wir beschlossen ad hoc, noch zum Panorama zu laufen und es anzuschauen. Was soll ich sagen, wir kauften um 1630 die Karten und während wir sie einsteckten öffnete sich das Tor für den Einlass. Punktlandung. Sehr beeindruckend war das, sehr zu empfehlen. Jetzt ist es gleich 22 Uhr, ich bin kaputt, Frau auch. Licht aus. dobranoc.

Dienstag, 23.05.2023
Nach dem Frühstück geht es zum Franziskanerkloster in der aleja Jana Kasprowicza. Pater Marian empfängt uns und wir hören seinen Vortrag über das Kloster und die Hauptaufgabe des Klosters, die Seelsorge der deutschen Minderheit in Schlesien. Wir essen dort in der Suppenküche zu Mittag. Es gibt Pysy und nalesniki serem (mit gewolftem Rindfleisch gefüllte Kartoffelklöße und dünne Pfannkuchen, also fast eher crepes, mit einem gesüßten weissen Quark gefüllt)
Am Nachmittag besuchen wir die Aula Leopoldina in der Universytet Wroclaw und den Musiksaal. Vom Dach des Gebäudes haben wir eine gute Aussicht.
Im Anschluss findet ein Vortrag und ein Gespräch über das deutsch-polnische Verhältnis seit 1945 mit dem Direktor des Willy-Brand-Centrums Krzysztof Ruchniewicz statt. Meinen Hinweis, dass ich auch seit 13 Jahren Experte für deutsch-polnische Beziehungen bin, nimmt man mit müdem Lächeln zur Kennntis. Danach Feierabend. Der Rest der Bande oder ein Teil geht noch zum Vortrag von Markus Meckel, des ehemaligen Außenministers der DDR. Der Vortrag findet im Openheim statt.
Wir gehen aber auch nochmal raus, kehren ein im Charlotte in der Nähe der Synagoge, wo wir am Vortag waren. Anschließend laufen wir noch zur Dominsel an der Oder. Dort gibt es Gaslaternen, die von einem schwarz gekleideten Mann jeden Abend kurz nach Beginn der Dämmerung angezündet werden. Wir können ihn auch finden, müssen aber zuvor eine Zeit dort ausharren. Der Anzünder hat eine transportable Gasflamme dabei, an einer Lanze. Mit der öffnet er das Gasventil und im gleichen Moment werden die vier Glühstrümpfe angezündet. Wir schauen uns das an, dann gehts zurück zur Unterkunft. Es ist kalt geworden.

Mittwoch, 24.05.2023
Treffpunkt ist wieder die Lobby, 9 Uhr, nach dem Frühstück. Heute geht es erst zu Fuß über den Marktplatz. Gosia erzählt uns Geschichten über Kaufhäuser und Jugendstil, wir sehen unter anderem zwei Häuser mit Abbildungen von Mohren an den Wänden und sind beruhigt, dass man in Polen darüber kein Fass aufmacht. In Deutschland wäre auf den sozialen Medien ein solcher Sturm entbrannt, der nicht eher geendet hätte, bis diese Figuren mit Hammer und Meißel abgerissen worden wären. Polen ist entspannt, das beruhigt mich. Den Begriff „kulturelle Aneigung“ kennt man hier nicht.
Anschließend fahren wir zu einem ehemaligen jüdischen Friedhof der heute als Museum dient. Als er eingeebnet werden sollte entdeckte man, dass der Gründer der Sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, Ferdinand Lasalle (Lasal) dort beerdigt ist, und stoppt die Einebnung. Zur Erinnerung: Aus der SDAP geht 26 Jahre später die SPD hervor. Von dort fahren wir zum Mittagessen ins Sarah. Es gibt Kartoffelpuffer mit Gulasch. Wir setzen die Besichtigung gleich im Anschluss fort, fahren zum Odertor. Der dortige Bahnhof und das Viertel gewannen Bedeutung nach dem Krieg, da die Brücke zum Hauptbahnhof nicht mehr da war und die Züge im Odertor endeten. Wir entdeckten dort eine Menge künstlerisch umgestalteter Höfe, desweiteren Handwerksbetriebe mit historischen Maschinen und eine Eisdiele mit dem leckersten Eis Polens (das bestätigte ein Testkauf). Und ja, um 1630 ging es weiter, im Hotel sahen wir dann noch einen Film des MDR über den Henker von Breslau, Karl Hanke. Dann war endlich Feierabend und wir auch für heute erledigt.

Donnerstag, 25.05.2023
Der Bildungsurlaub geht in den Endspurt. Heute geht es nach der üppigen Verpflegung zum WuWa Werkbundsiedlung Wroclaw. Beeindruckend, was damals schon an Ideen vorhanden war und auch in kürzester Zeit umgesetzt wurde. Das Haus, in welchem sich heute das Hotel befindet, wurde in drei Monaten gebaut. Da bekommt man heutzutage noch nicht mal den Bauantrag eingereicht, geschweige denn genehmigt. Anschließend besuchten wir die Jahrhunderthalle mit Nadel und Park. Auch da ist man in der Halle beeindruckt, was damals schon in Stahlbeton machbar war und gar nicht schlecht aussieht. Mittagessen gab es im Green Bean in der Szczytnicka 9 . Die Straße steht nur zu Ausspracheübungszwecken hier. (beim Aufschreiben der Straße hab ich mich auch zweimal vertan, also die beiden Versuche habt ihr auch) Ein Selbstbedienunglokal. Man schaufelt sich Essen auf riesige Teller die dann gewogen werden. Durch die großen Teller sind die Augen schon mal größer als der Magen. Geschmacklich war es gut. Während des Essens haben Handwerker angeseilt Revisionen an der Fassade durchgeführt. Am Nachmittag wandern wir zur most grunwaldzki, früher auch Kaiserbrücke genannt. Dahinter liegt das Haus auf dem Wasser von Kamil Zaremba. Dort hören wir einen Vortrag über Umweltschutz, die Oder, die Hochwasser der vergangenen Jahre und die Oderverschmutzung vom Jahr 2022. Dann war Fajrant. Abmarsch, ich muss dringend noch zum fryzjer. Das hat auch geklappt. Ich bekam für ordentliches Benehmen beim fryzjer noch einen paczek gekauft. Mit Rosenmarmelade. Die mag ich. Morgen letzter Tag, Abreise am Samstag. Ich kann schon einmal vorwegnehmen: Breslau ist toll.

Freitag, 26.05.2023, Muttertag in Polen (das spielt für uns keine Rolle, erklärt uns aber, warum so viele Männer mit Blumen unterwegs sind und warum man viele Mütter mit Söhnen und oder Töchtern unterwegs sieht, zum Beispiel im botanischen Garten, dazu gleich mehr)
Frühstück bis 9, wie die Vortage auch. Dann gibt es einen Vortrag bzw. viel mehr ein Gespräch am Vormittag mit einer Lehrerin aus Wroclaw, Katarzyna Sroka. Sie unterrichtet deutsch an verschiedenen Schulen in der Stadt. Und das, soweit kann ich das Feedback schon einmal vorwegnehmen, ist für viele Teilnehmer der spannendste Teil der Woche, die Unterhaltungen mit Zeitzeugen. Mit allen, die uns etwas gezeigt haben und für ihre Sache brennen. Dann gibt es Feedbackrunde und Zeugnisse, alle haben bestanden. Ich freue mich. Einige müssen sich schon verabschieden, da sie ihren Zug nicht verpassen wollen. Der Rest schaut noch einen Film über Breslau. Dann ist Verabschiedung. Wir gehen erst mal Mittagessen, dieses Mal in die Milchbar Jacek i Agatka in der Wita Stwosza . Ein komplettes Mittagessen für zwei Personen mit Suppe vorweg für ziemlich genau 50 PLN. Am Nachmittag gehen wir in den Botanischen Garten und schauen uns dort um. Der Garten ist sehr zu empfehlen, wirklich toll gemacht. Wir schauen uns auf dem Rückweg noch ein Kunstwerk an, auf einer kleinen Oderinsel. Dann gehts zurück zum Hotel, packen und morgen früh nach Hause. Schön wars und bestimmt nicht das letzte Mal in Breslau. Do zobaczenia.


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